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Redebeitrag zu den Protesten gegen den AfD EU-Wahlkampfabschluss

Wir sind von der Antifa in Praxis und freuen uns, dass so viele von euch an einem Freitag Abend den Weg hierher gefunden haben.

Wir stehen hier vor dem Tierpark in Lichtenberg, wo die AfD ihren Wahlkampf, also  die Verbreitung ihres rassistischen, queerfeindlichen, misogynen, sozialchauvinistischen und antisemitischen Programms feiern möchte. 

Eigentlich sollten die EU Wahl und die Thüringer Kommunalwahlen vor drei Wochen der Auftakt eines erfolgreichen Jahres für die extrem rechte Partei sein. Von einer „Blauen Welle“ und einem „Durchmarsch“ bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen wurde fantasiert. Und die Zeichen dafür standen gut: 

Die Partei war vergangenen Sommer lange im Umfragehoch, die Prognosen lagen bei 20% im Bundesdurchschnitt bis zu über 30% und damit stärkster Kraft bei den besagten Landtagswahlen. Dazu kommt eine beunruhigende Beliebtheit bei unter 25jährigen.

Rechte Mediennetzwerke sind mittlerweile fest etabliert und haben ihre Anhängerschaft gebunden. Von diversen Streamern über Sender wie „Auf eins“ bis zu den großen Printmedien wie Jürgen Elsässer’s compact: Die Propagandaproduktion läuft. Das compact magazin organisiert im Wahlkampf sogar Veranstaltungstouren, wo es zu Bratwurst und Schlager rassisische Hetze und Verschwörungserzählungen zum russischen Angriffskrieg gibt.

Während die AfD in ihren Bewegungsmedien über vermeintliche Zensur und Maulkörbe jammert, hat ihre Normalisierung in öffentlichen und privaten Medien einen Höchststand erreicht. Dass mit Nazis wie Höcke überhaupt gesprochen wird, war nicht immer selbstverständlich, heute wird in großen Talkshows über Mettbrötchen geplaudert.

Und trotz dieser für die autoritäre Wende günstigen Ausgangslage scheint es eine gewisse Schadensbegrenzung zu geben, die in erster Linie der Selbstsabotage mancher Politclowns in der AfD zu verdanken ist. Ob die zwei EU Spitzenkandidaten Krah und Bystron heute auf der Wahlparty sprechen dürfen ist fraglich, ihnen wurde von der Bundespartei wegen Skandalen um SS-Relativierung, Spionage und Korruption halbherzig ein Auftrittsverbot  verordnet.

Stattdessen wurde jetzt der dritte Listenplatz Rene Aust, ehemaliger Mitarbeiter von Höcke zur Stimme der AfD für das EU-Parlament. Dort wird die AfD wegen vorerst alleine sitzen, aus der identiären Fraktion mit ihren neofaschistischen Schwesterparteien wurden sie -wohl aus Kalkül im internen Machtkampf- vorerst ausgeschlossen.

Dennoch: egal wie die Wahlergebnisse ausfallen werden, ob der Höhenflug vorerst gestoppt scheint und ob interne Konflikte und Zerwürfnisse die Erfolge der AfD zwischenzeitlich schwächen: Die Lage ist verdammt prekär.  Die kurzen Rückschläge wegen der Skandale um die EU-Kandidaten reihen sich auch nur ein in eine Serie von kurzlebigen Empörungsmomenten, aus denen die AfD stets gestärkt und nach rechts gefestigt hervorgegangen ist. Auch den Gegenwind, den die Partei im Winter durch ihre Deportationspläne hinnehmen musste hat sie gut verkraftet. 

Dass die AfD nicht trotz, sondern wegen ihres rechtsextremen Programms in Deutschland breite Zustimmung erfährt, scheint die bürgerliche „Mitte“ nicht zu begreifen. Der AfD jedoch ist es bewusst, so werben einige Kommunalverbände mittlerweile ganz offen mit dem rassistischen Kampfbegriff „Remigration“. 

Generell haben die offen autortiären und völkischen Kräfte rund um den inzwischen ausgelösten „Flügel“  an vielen Orten die Oberhand. Damit hat sich die AfD zu einer mehrheitlich völkischen Partei entwickelt. Dass so eine Partei so großen Zuspruch erfährt ist bezeichnend für das gesellschaftliche Klima und eine größer werdende Gefahr. 

Und eine „Brandmauer nach rechts“ gibt es nicht. Im Herbst drohen mit AfD Bürgermeistern und Landräten im Osten mehr Repressionsdruck auf Linke und Verlust von Ressourcen für nicht-rechte Träger.

Und so wichtig es ist, die AfD als Organisation und Bewegungspartei zu bekämpfen, es gibt keinen Grund, beruhigt zu sein, wenn der worst case am Wahltag abgewendet scheint. Es ist nichts gewonnen, wenn antifeministische und verschwörungsideologische Positionen von Shara Wagenknecht übernommen werden, wenn Konservative misogyne Identitäspolitik oder sozialchauvinistische Schikanen wie die Bezahlkarte aufgreifen und wenn durchweg alle Parteien Abschiebungen und das Morden an den Außengrenzen vorantreiben, um damit der AfD ein paar Wahlstimmen abschöpfen. 

Der bahnbrechende Rassismus, der alle Milieus der deutschen Dominanzgesellschaft durchzieht, lässt befürchten, dass die kommende EM ein nationalistischer Albtraum wird. Misogyne Einstellungen und queerfeindliche Gewalt nehmen seit Jahren zu. 

Und auch wenn die Aussichten düster sind, gibt es immerhin viel dagegen zu tun. 

Heute hier zu sein um der AfD ihre Wahlkampfparty zu vermiesen ist ein Anfang. Überlegt euch, wie ihr weiter aktiv werden könnt.

Es gibt in Berlin wieder einige offene Antifatreffen, organisiert euch! 

Unterstützt Aktionien der Kampagne „Kein Raum der AfD“, damit wir bei der nächsten Wahl am besten gegen gar keine Wahlparty protestieren, oder mindestens dafür nach Spandau fahren müssen, wie vor fünf Jahren, als es antifaschistischer Druck noch verhindern konnte, dass die AfD Räumlichkeiten für Veranstaltungen findet!

Fahrt diesen Sommer und auch danach öfter raus nach Brandenburg, um Proteste, Prides oder linke Projekte zu supporten!

Schließt euch den vielseitigen Aktionen gegen den AfD Parteitag am 28.6. in Essen an, es gibt auch verschiedene Anreisen aus Berlin. Und tretet der AfD und ihren menschenverachtenden Positionen entgegen, wo sie euch begegnen.

Danke dass ihr hier seid und habt ein schönes Wochenende!

Kontext: Am Freitag 7.6. haben mehr als 200 Menschen gegen den Wahlkampfabschluss der AfD am U-Bhf. Tierpark demonstriert. Mit Trillerpfeifen, Tröten und Sprechchören wurde schon der Aufbau der AfD-Kundgebung aus einer Entfernung von 50 Metern mit Krach eingedeckt.

Bericht auf indymedia:
https://de.indymedia.org/node/367122

Bild zum Beitrag (und mehr Fotos vom Protest): IG: @kinkalitzcken_photo / https://www.flickr.com/people/192343020

Bericht zu den Protesten